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Biedenkopf,  Gesundheit

Dr. Thomas Hannich im Interview

Ja, das Interview mit Dr. Thomas Hannich ist lang und inhaltsreich, enthält aber für die Betroffenen viele hilfreiche Informationen. Und wer nach dem Lesern gern noch mehr über das Thema Knie-TEP erfahren möchte, kommt am 6. Juni ins DRK-Krankenhaus in Biedenkopf.
Um 19 Uhr hält der Facharzt dort im Rahmen der Reihe „Gesund vor Ort“ einen Vortrag zum Thema „Aktuelle Erkenntnisse in der Endoprothetik und minimal invasive Techniken.“

Dr. Thomas Hannich antwortet umfassend auf Fragen rund um die Knie-OP. (Fotos: DRK)

Das Kniegelenk ist als größtes Gelenk im menschlichen Körper starken Belastungen ausgesetzt – und bundesweit werden jährlich rund 180.000 Knie-Operationen durchgeführt. Dr. Thomas Hannich, der selbst schon an die 1.000 Knie-Totalendoprothesen eingesetzt hat und seit 2010 als Belegarzt im DRK-Krankenhaus Biedenkopf tätig ist, hat Antworten rund um das Thema Knie-OP.

Fragen und Antworten

1) Wann sollte ich eine Knie-OP durchführen lassen? Sollte ich diese so lang wie möglich herauszögern?
Eine Operation ist nie ein einfacher Schritt und oft mit Ängsten verknüpft. Mir ist es wichtig Patienten den Leidensdruck zu nehmen und Ihnen mehr Mobilität, Autonomie sowie Selbstbestimmung zu verschaffen. Eine Knie-Operation sollte in Betracht gezogen werden, wenn alle konservativen Maßnahmen versagen, der Patient auf Hilfsmittel wie Gehstützen angewiesen ist, er nicht länger als 5 Minuten laufen kann und regelmäßig Medikamente zur Bekämpfung von Schmerzen nimmt. Optimal ist es, wenn der Patient unter 80 Jahre alt ist und insgesamt in einem guten körperlichen Zustand. Mein Ziel ist es, dass der Operierte eine deutlich bessere Lebensqualität sowie Mobilität erhält.
2) Wie kommt es zur Arthrose? Gibt es spezielle Risikogruppen?
Der stetige Abbau des Gelenkknorpels geht häufig mit Gelenkschmerzen und der Beeinträchtigung der Beweglichkeit einher. Ein Risikofaktor für Arthrose ist sicherlich das Alter, ab dem 60. Lebensjahr leiden gut die Hälfte aller Frauen an Arthrose und ein Drittel der Männer. Hinzu kommt, dass Übergewicht (BMI größer als 30) Arthrose begünstigt. Menschen mit Fehlstellungen wie X- oder O-Beine sind häufiger betroffen, ebenso naktive Menschen aber auch viele Ballsportler (Handballer, Fußballer oder Volleyballer) durch schnelles Abbremsen oder Richtungswechsel. Natürlich gibt es auch spezielle Berufsgruppen wie Fliesenleger oder Dachdecker.
3) Kann ich nach einer OP wieder aktiv Sport treiben?
Sport mit Knieprothese wird in den Vorgesprächen mit Patienten immer wieder thematisiert. Grundvoraussetzungen sind die schnelle Mobilisierung der Knieprothese nach der Operation sowie eine Teilnahme an der Rehabilitation. Natürlich sind diejenigen im Vorteil, die über einen guten Zustand der Muskulatur und Normalgewicht verfügen. Sportarten wie Walken, Schwimmen, Rad fahren oder Skilanglauf sind sicherlich förderlich und nach einiger Zeit wieder möglich. Sportarten mit ruckartigen Schlageinwirkungen sowie schnellen Richtungswechseln wie Tennis, Fußball, Handball, Squash, Ski Alpin und Kampfsport würde ich eher kritisch sehen und vermeiden.
4) Was wird genau bei einer Knie-Operation gemacht, und wie lange dauert diese?
Durch die präoperative Planung des Eingriffes anhand vorhandener Röntgenbilder dauert die eigentliche Operation in der Regel ein bis zwei Stunden. Bei der Einsetzung einer Totalendoprothese werden entzündliches Gelenkinnenhautgewebe, der Außen- und Innenmeniskus sowie das vordere Kreuzband üblicherweise entfernt. Die Prothesen werden der Anatomie des Patienten angepasst. Das heißt, während der Operation wird ähnlich einem Modularsystem die exakte Schnittführung durchgeführt und dann entsprechend die Prothese exakt implantiert. Es können bestimmte Knochendefekte auch gefüllt und Fehlstellungen korrigiert werden.

Ein guter körperlicher Zustand ist bei der OP auf jeden Fall von Vorteil.

5) Welche Arten von Endoprothesen verwenden Sie?
Wir verwenden verschiedene Prothesentypen, je nach anatomischer Erfordernis. Bei einem Oberflächenersatz wird ähnlich einer Zahnkrone die Prothese aufgesetzt, mit nur geringer Knochenresektion. Bei einer Verbundprothese werden größere Instabilitäten und Fehlstellungen beseitigt und Oberschenkel- mit Unterschenkelknochen durch zapfenartige Verbindungen stabil verbunden, bei Erhaltung der Mobilität.
6) Wie lange hält eine Totalendoprothese?
Die durchschnittliche Implantat-Haltbarkeit liegt bei 18 bis 20 Jahren. Bei 80 bis 90 Prozent der Patienten ist ein Wechsel nicht erforderlich.
7) Wann kann der Patient nach der Operation wieder aufstehen? Wie wird die Mobilisation im DRK-Krankenhaus gefördert?
Bei der Knie-TEP-Implantation handelt es sich um eine blutarme Operation, in der nur in Ausnahmefällen Blutkonserven erforderlich sind. Die Patienten werden am nächsten Tag nach der OP durch Physiotherapie mobilisiert und erhalten sofort eine Bewegungsmotorschiene. Durch einen Schmerzkatheter wird in den ersten drei Tagen nach der Operation das Kniegelenk deutlich schmerzfreier. Die medizinische Rehabilitation schließt sich dem 8- bis 10-tägigen Krankenhausaufenthalt nahtlos an. Die Vollbelastbarkeit ist üblicherweise nach 7 Tagen möglich; und etwa vier bis sechs Wochen werden begleitend Unterarmgehstützen eingesetzt. Ergänzend erfolgt ein standardisiertes Entlassungsmanagement. Alternativ ist auch eine ambulante Reha möglich. Autofahren kann 3 bis 4 Wochen nach dem Eingriff erfolgen. Mit der Sportausübung kann nach etwa drei Monaten begonnen werden.
8) Dr. Hannich: Wie sieht Ihr beruflicher Werdegang aus? Seit wann führen Sie Endoprothetik am DRK-Krankenhaus durch?
1996 wurde ich Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Zunächst führte ich die Endoprothetik am Diakonie Krankenhaus in Wehrda bis 2016 durch und anschließend dann die Endoprothetik im DRK-Krankenhaus in Biedenkopf. Wöchentlich erfolgen etwa zwei bis drei endoprothetische Eingriffe, vornehmlich an Hüft- und Kniegelenken. Aber auch Schulter- und Sprunggelenks-Endoprothesen werden regelmäßig implantiert.
9) Was mögen Sie an Ihrem Beruf, und was gefällt Ihnen gar nicht?
Ich liebe meinen Beruf, auch wenn man die viele Arbeit und das Tempo wegstecken muss. Man muss sich einfach regelmäßig Freiräume schaffen. Der Druck der Krankenkassen und Kontrollinstitutionen ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Die Erfüllung des hohen Qualitätsstandards erfordert ein intensives Zeit- und Fortbildungsmanagement. Durch kontinuierliche Weiter- und Fortbildungen wird der operative Standard stetig optimiert. Es ist ein Gefühl der Zufriedenheit, wenn Patienten zunehmend mobiler und selbständiger werden und sie ihre gewünschte Lebensqualität erreichen.